Leseprobe HORSEMAN 02/2023

Das Sprunggelenk und der Reitersitz

Leseprobe Horseman Februar 2023 - Das Sprunggelenk und der Steigbügel

Mittlerweile wird in der gesamten Reiterei wieder vermehrt auf den Sitz des Reiters geachtet. Ganz nach dem Motto der „Reiter macht das Pferd“, wird der Reiter im Sattel besser positioniert, man achtet auf den klassischen Drehsitz nach Steinbrecht (bereits früher im 17. Jahrhundert die Übung des Leibes genannt) und gymnastiziert ihn mit Franklin-Bällen unter seinem Allerwertesten. Schulter bewegt Schulter und Becken Ein lockerer Reiter ist also gefordert, der mit der Bewegung des Pferdes mitschwingen kann – sozusagen „locker aus der Hüfte heraus“. Auf ein kleines Gelenk wir aber meist weniger Wert gelegt – das Sprunggelenk. Wir kennen zwar alle den Spruch „Hacken tief!“, der früher wie auch noch heute durch die Reithallen schallt. Auf die Frage „…warum?“ bekommt man meist die Antwort: „… weil man dann besser sitzt!“

Im ersten Moment ist diese Antwort auch gar nicht falsch, sieht man rein die Position von Hacke und Fußspitze und doch stimmt die Aussage Hacken tief eigentlich gar nicht und müsste heißen Fußspitze hoch. Jetzt wird so mancher denken: „… ist doch dieselbe Position?!“ und damit hat er nicht unrecht. Den Unterschied macht aber die Muskulatur die jeweilig angesprochen wird. Presst man die Ferse nach unten kommt hauptsächlich die Muskulatur in der Wade zum Einsatz. Dieses Pressen fixiert das Sprunggelenk und überträgt sich u.a. über die Adduktoren auf die Hüfte/das Hüftgelenk und damit auf das Becken, das die Schaltstelle des Reitersitzes darstellt. Es verhindert ein leichtes Schwingen bzw. Beweglichkeit im Hüftgelenk und fixiert damit biomechanisch auch das komplette Becken (Anm.: die Hüfte wird oft mit dem Becken verwechselt! Mehr über das Becken und das Hüftgelenk siehe HORSEMAN Januar 2021). Hebt man nun aber die Fußspitze an, anstatt die Ferse runterzupressen, benutzt man den vorderen Schienbeinmuskel. Dieser „Fußheber“ wie man ihn auch bezeichnet, fixiert in seinem weiteren Verlauf aber nicht das Hüftgelenk und das Becken und lässt damit weitaus mehr Bewegung zu. Gleiche Position – andere Wirkung.

Warum ist nun aber diese Position und vor allem das Sprunggelenk überhaupt so wichtig für unseren Reitersitz? Dies hat zwei Gründe, wobei einer davon auch mit der Bügellänge zusammenhängt. Oft sieht man Reiter mit viel zu langen Bügeln und die Fußspitzen fischen förmlich nach der Auflage und einem sichern Tritt. Dabei gerät das Bein in eine Endstreckung und damit ist ein Durchfedern vom Sprunggelenk über das Knie bis in die Hüfte nicht mehr möglich. Ähnlich einem Playmobilmännchen (oder Frauchen) steckt der Reiter auf dem Pferd und das Reiterbecken presst sich fest in den Sattel. Der Reiter ist nicht mehr in der Lage weich und federnd zu sitzen, wird den Schwung des Pferdes als Stöße aufnehmen und auch im Oberkörper fest werden. Eine natürliche Federung entsteht nur bei einer Abwinkelung im Knie und einem leichten Sprunggelenk mit einer fallengelassenen Ferse.

Das Sprunggelenk hat aber noch ganz andere Auswirkungen auf unseren Körper, die den Reitersitz maßgeblich beeinflussen. Das Sprunggelenk besteht aus Gelenken (siehe Kasten) die sich die Bewegung in die unterschiedlichen Richtungen teilen. Wie das Sprunggelenk und dessen Stellung und Beweglichkeit den restlichen Körper beeinflusst liegt nun aber an zwei großen Muskellinien, die durch unseren Körper ziehen. Man unterscheidet hier die laterale und die spirale Muskellinie/Muskelkette. Diese führen von unserem Nackenbereich bis unter den Fuß und eben das Sprunggelenk. Wird ein Glied innerhalb dieser Kette fest wirkt sich das auf den restlichen Körper aus. Das Sprunggelenk hat hier eine ausgesprochen hohe Funktionalität und schafft es sogar den Nackenbereich zu lösen oder fest zu machen. Ein gelöstest Sprunggelenk gibt damit mehr Flexibilität durch den Körper bis hoch in die Schultern. Hierzu findet Ihr ein Video auf der Homepage das zum Mitmachen anregt.

Fazit: Betrachtet man diese einzelnen Punkte und die Wirkungsweise des zweiteiligen Gelenks (Kasten) wird einem schnell klar wie eine zu hohe Ferse, ein Runterpressen der Hacke, eine Verdrehen des Fußes nach außen oder ein Abkippen auf die Kante den Reitersitz beeinträchtigen können. Im Idealfall liegt die Sohle des Stiefels und damit der Fuß flach und ohne Druck auf den Außenkanten, bzw. Luft in der Mitte, im Bügel, die Fußspitze zeigt geradeaus und nicht weit nach außen und der Fuß ist parallel zum Boden positioniert. Nur so kann die Ferse, über ein freies Sprunggelenk, nach unten durchfedern. Das Knie, das Hüftgelenk können ebenso als Stoßdämpfung federnd fungieren, das Becken ist leicht und durch die angesprochenen Muskellinien auch Schulter- und Nackenbereich nicht fest. Diese Position ist die Basis für einen leichten und federnden Sitz, ganz nach dem Motto: „Hacken tief war gestern – egal ob Englisch oder Western!“

Eure Alexandra Stocks und Tom Büchel

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