Leseprobe HORSEMAN 05/2023

Die Hackamore – Werkzeug für Groundwork und Horsemanship?
Noch vor wenigen Jahren war die Kalifornische Hackamore, also das Bosal, ein Ausbildungsinstrument, das von wenigen Individualisten benutz und überhaupt verstanden wurde. Für die echten Californios war und ist es noch heute, ein Teil eines komplexen Ausbildungssystems, das über das Reiten in der Hackamore (Bosal, Hänger, Mecate), in die Two Rein Phase (Hackamore und Bit) und dann bis zum Bridle Horse (einhändig im Bit) führt. Wie schon mehrfach im HORSEMAN beschrieben, ist das Bosal heute aber auch weit über die Grenzen der Anhänger der reinen kalifornischen Reitweise eine beliebte gebisslose Zäumung, die es zulässt, sein Pferd fein zu reiten und vor allem vertikal wie horizontal zu gymnastizieren. Doch vor der Arbeit im Sattel steht nun mal die Bodenarbeit zur Vorbereitung auf den Job als Reitpferd. Dies gilt sicher für den Freizeitreiter ebenso wie für den kalifonischen Vaquero. Auch wenn das Endziel recht unterschiedlich ist, so sind die Ansprüche in der Basis oft sehr identisch. Nachgiebigkeit, Gymnastizierung, Vertrauen und „…wer bewegt wen?“ sind hier ein paar Eckpfeiler der Ausbildung am Boden, die sicherlich völlig unabhängig von der Reitweise sind und für alle gelten sollten. Doch was kann das Bosal? Kann es den Ansprüchen als Trainingszäumung gerecht werden? Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst einmal die einzelnen Spektren der Bodenarbeit betrachten. Jede Art hat dabei sicher ein Hauptaugenmerk, wird sich aber immer mit anderen überschneiden.

Klassische Handarbeit

Meist am Kappzaum ausgeführt, soll die klassische Handarbeit in erster Linie gymnastizieren und das Pferd an Stellung und Biegung gewöhnen. Reiterliche Lektionen wie Schulterherein werden hier bereits am Boden trainiert.

Horsemanship

Vertrauen, Körpersprache, „wer bewegt wen?“ und Kommunikation sind die vorrangigen Ziele im Horsemanship. Das Knotenhalfter und das lange Arbeitsseil sind hier das wohl meist benutzte Equipment. Wer nach Monty Roberts Trainingsmethode arbeitet, benutzt auch gerne das so genannte Dually Halfter. Horsemanship ist eigentlich auch unerlässlich als Vorbereitung auf das erste Satteln und das Anreiten von Jungpferden.

Longenarbeit

Beim Longieren muss man unterscheiden, und zwar in die gymnastizierende Arbeit an der Longe (z.B. Doppellonge) und dem reinen Bewegen (Ablongieren). Hier kommen sehr viele Zäumungen zum Einsatz. Es wird am Stallhalfter ebenso longiert wie am Kappzaum, dem Knotenhalfter, Stallhalfter oder leider auch an der Wassertrense.

Fahren vom Boden

Zum Fahren an der Doppellonge ist es ähnlich wie bei der Longenarbeit. Hier kommen Halfter, Kappzaum und Wassertrense zum Einsatz. Das Fahren vom Boden hilft, das Pferd in der Nachgiebigkeit zu schulen, es bereits zu lehren, was Stellung und Biegung bedeuten, und auf die reiterlichen Zügelhilfen vorzubereiten.

Gelassenheitstraining

Auch hier kommen leider alle möglichen Zäumungen zum Einsatz. Obwohl es ein absolutes No-go ist, wird nicht selten am Gebiss herumgezerrt, um dem Pferd klar zu machen: „Hey, das Gespenst da in der Ecke ist nur ein Banner – Du musst keine Angst haben!“

Groundwork mit der Hackamore

Schauen wir nun einmal auf die Arbeit im altkalifornischen Stil und die Bedeutung der Hackamore für das Groundwork. Auch hier ist es nicht unüblich, das Pferd am Boden auf die Einwirkung des Bosals vorzubereiten. Schon am Boden werden hierbei Nachgiebigkeit und erste laterale Biegung erarbeitet. Das Pferd wird an die Einwirkung des Bosals gewöhnt. Auch am Boden findet hierbei das Prinzip des Pull-pull-release Anwendung. Mit Impulsen und einem schnellen Nachgeben, dem Release, sobald das Pferd nachgibt, kann man bereits beim Groundwork das Pferd schulen, dass es der Reiter ist, der den Impuls beendet und nicht das Pferd, das sich den Zügel zurückholt. Ich baue hier sogar von den Pulls auch eine gewisse Anlehnung ein. Dies hilft, die Pferde nicht zu „überfallen“ und macht sie auf Dauer einfach auch feiner und lässt sie später auch in einer Anlehnung reiten.

Dies geschieht meist aus einer sehr engen Position, die in der Einwirkung dem Winkel gleicht, den sie später aus dem Sattel hat. Aber auch auf etwas Entfernung am langen Leadrope zu arbeiten, ist nicht möglich. Einige Ausbilder und Trainer praktizieren noch heute aus dieser Position heraus das Doubling, das früher Standard in der Ausbildung war. Aus höherer Geschwindigkeit (Galopp) wird das Pferd durch das ruckartige Annehmen der Mecate gestoppt und förmlich herumgeworfen. Ziel dabei ist es, die nötige Kontrolle mit der Hackamore, dem Bosal, zu etablieren. Das Pferd soll lernen, dass die Wirkung des Bosals auch weitaus stärker sein kann und es seine Halsmuskulatur nicht gegen die Hand des Reiters einsetzt. Dies ist aber eine Methedo die ich nicht einsetzte, da ich schon viele Pferde zum Training hatte, die fast schon Angst vor dem Bosal hatten und von der Feinheit, mit der ich arbeiten möchte weit entfernt waren!

Um auf Entfernung und damit am langen Leadrope arbeiten zu können, muss man entweder ein Fiador benutzen oder die Zügel so kurz knoten, dass diese eine Art Fiador also ein Genickstück bilden. Tut man dies nicht, wird man das Bosal sehr schnell unter dem Unterkiefer nach vorne herausziehen, bzw. das Pferd sich durch Entzug nach hinten sich selbst des Bosals entledigen. Diese direkte Vorbereitung auf das Reiten in der Hackamore, quasi das erste Verstehen dieser Zäumung war und ist auch noch heute das Ziel des Groundworks mit dem Bosal.
Da es aber die wohl einzige Zäumung ist, die vertikal wie horizontal funktioniert, ergeben sich in Kombination mit der Knotung des Genickstücks aber eventuell auch andere Einsatzmöglichkeiten, die eine Kombination mit moderneren Ausbildungswegen ermöglichen.

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Wagemut – Von Alex Zell
Viele Synonyme gibt es für dieses Wort wie angstfrei, furchtlos oder unerschrocken. Am besten gefällt mir jedoch die im Wort befindliche Bedeutung, des „Mutes etwas zu wagen“.

Seien wir doch mal ehrlich, wie oft denken wir „ich würde gerne“, aber lassen uns dann von Sorgen, Ängsten, den Meinungen anderer oder auch geltenden Normen davon abbringen. Dabei würde es sich vielleicht lohnen es einfach zu tun und auszuprobieren, das Risiko einzugehen und eben nicht zu 100% abschätzen zu können, was die Folgen sind.

Ja, vielleicht geht es schief, aber kann ich das wissen, wenn ich es nicht versucht habe? Muss ich mir vielleicht irgendwann vorwerfen, dass ich einfach zu feige war etwas zu machen und meinen Traum zu leben- wer weiß denn schon was morgen ist und wie sich alles entwickelt?

Nein, ich spreche nicht von Wahnsinn oder völlig irren Ideen, aber vom Mut etwas auch durchzuziehen, wenn der Traum gereift ist, oder auch dem Mut etwas NICHT zu tun, obwohl alle etwas anderes sagen und meinen. Zum Glück habe ich eine Partnerin an meiner Seite, die ähnlich denkt und sich gemeinsam mit mir immer wieder in neue Abenteuer stürzt, was wahrscheinlich an ihren Wikinger-Genen liegt.

Übertragen auf die Pferde heißt das mit Sicherheit nicht, sich auf jedes bockende Pferd zu setzen, um sich selbst etwas zu beweisen, aber den Mut zu haben auch mal etwas auszuprobieren, über den Tellerrand zu schauen, althergebrachtes zu eruieren, sich von Dogmen und vielleicht auch Systemen zu verabschieden und auf das Pferd zu hören. Gemeinsam auf die Reise zu gehen und Abenteuer zu bestehen, für etwas zu brennen und vor allem auch dem Pferd seine Meinung zuzugestehen und dies auszuhalten, die Kreativität des Pferdes fördern- auch mal 5 gerade sein zu lassen und sich nicht in der Genauigkeit so stark zu vergraben, dass man die Freude verliert und dem Pferd das Gefühl gibt nichts mehr richtig machen zu können.

Es ist so einfach alles zu kontrollieren und in der Komfortzone zu bleiben, aber manchmal muss man sich eben auch etwas trauen, wenn das Pferd denn die nötige Kraft und Gesundheit hierfür hat. Natürlich galoppiert das junge Pferd nicht ausbalanciert, aber vielleicht fällt ihm eben diese Gangart trotzdem am leichtesten und kann somit die Basis für die weitere Ausbildung sein, statt es im Schritt oder Trab zu frustrieren, um nach Lehrbuch auszubilden, welches es vielleicht nicht gelesen hat.

Aber auch etwas nicht zu tun braucht manchmal Mut- Nein zu sagen zum Wohle des Pferdes! Vielleicht habe ich eben kein „gesundes Pferd“ und habe den Mut zu sagen, dass ich dieses Pferd eben nicht reite, obwohl meine Umwelt der Meinung ist „der hat doch nichts“, oder ich reite eben mein Pferd nicht mit 3 an, weil das die anderen auch so machen, sondern gebe ihm noch Zeit sich zu entwickeln.

Es erfordert Mut seinen eigenen Weg zu finden und nicht mit dem Strom zu schwimmen, eigene Träume und Ziele vielleicht auch abzuschreiben, weil man eben nicht das passende Pferd dazu hat mit dem man in der Dressur glänzen oder schnelle Turns am Rind machen kann, nicht den Working Equitation Crack oder das Springpferd welches man sich gewünscht hat.
Neue Wege zu finden, die dem Pferd helfen, zurück zur Basis zu gehen, neu anzufangen, Dinge zu ändern, sich einzugestehen, dass man auch Fehler gemacht hat- ja, auch das erfordert Wagemut.

Traut euch Ja zu sagen, ja zum Leben, ja zu euren Träumen, ja zu dem, was euch und eurem Pferd gut tut, aber auch Nein, und damit meine ich Nein egal wer vor euch steht, wenn ihr tief in eurem Inneren fühlt, dass es nicht richtig ist, denn wir sind Partner, Freund und Anwalt unserer Pferde.

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